Einleitung
Heute werden die Stichwörter “Wettkampf”, “Wettstreit” und “Wettbewerb” vor allem mit Wirtschaft, Sport, Evolutionstheorie, Architektur oder diversen TV- Contests assoziiert. In der Frühen Neuzeit jedoch war das Prinzip des Wettstreits für die kunstlerische Arbeit maßgeblich. Es herrschte die Ansicht vor, dass der kompetitive Habitus der Nachahmung, des Wetteiferns und des Übertreffens (imitatio, aemulatio und superatio) Fortschritt bewirke. Orientierungspunkt war hier – wie so oft – die Antike.
Aus den Konkurrenzkampfen, die Kunstelr*innen im fruhneuzeitlichen Europa untereinander, aber auch mit lange verstorbenen Berühmtheiten ausgetragen haben, sind einige der bis heute bekanntesten werke der Renaissance und des Barock hervorgegangen.
Gelegentlich führte die Konkurrenz um prestigeträchtige Aufträge zu einem aggressiven Klima, in dem sich Abgrunde auftaten – wie etwa der Künstlerneid mit seinen Intrigen, Hieben und Verleumdungen. Dem lassen sich jedoch Beispiele von Zusammenarbeit gegenuberstellen, wo Spezialist*innen miteineander kooperierten, um Werke zu schaffen, die niemand von ihnen allein hatte zustande bringen konnen.
Die Ausstelung stellt in thematischen Gruppen einigen der wichtigsten Gelegenheiten und Schauplätze des kunstlerischen Wettstreits vor.
Wettstreit in der Antike
Wer täuscht wen? Zeuxis und Parrhasios
Der römische Autor Plinius d. Ä. (23/24-79 m. Chr.) erzählte in zahlreichen Anektodten vom Wettstreit berühmter Künstler. Eine entscheidende Frage war:
Wer schafft es, einen Gegenstand derart naturgetreu darzustellen, dass ein Tier oder gar eine Person davon getäuscht wird?
Der griechische Maler Zeuxis soll Weintrauben gemalt haben. die Vögel anlockten. Sein Kontrahent Parrhasios hingegen soll einen Vorhang geschaffen und Zeuxis aufgefordert haben, ihn wegzuziehen, um das dahinter. verborgen Gemälde zu betrachten (Abb. 1). Durch diesen Trick hinters Licht geführt, gestamd Zeuxis seine Niederlage ein, hatte er selbst doch nur Tiere zu täuschen vermocht.
Seit der Renaissance entstanden viele Gemäld. die auf diese Anekdote anspielen (1, 2, 3). Solche Darstellungen boten den Künstlern Gelegenheit, ihre Gelehrsamkeit zu beweisen und sich an antiken Vorbildern zu messen.




Wettstreit im Mythos
Auf Leben und Tod: Apoll und Marsyas
Der Satyr Marsyas, durch sein Spiel auf der wohlklingenden Rohrflote zu Selbstbewussstsein gelangt forderte Apoll, den Gott der Kümste, zum musikalischen Wettstreit heraus. Athena, die Erfinderin dieses Instruments, hatte es weggeworfen, weil sie durch das Flötenspiel ihr Gesicht entstellt sah. Mit abwehrender Geste ist sie auf dem antiken Kolonettenkrater neben Marsyas dargestellt, dessen zottelliges Fell die weißen Punkte andeuten.
Währemd der Krater die Szene vor dem eigentlichen Wettstreit zeigt, schildert das Gemalde des italienischen Barockmalers Luca Giordano das grausame Nachspiel – die Häutimg des unglückseiligen Verlierers Marsyas durch den blondgelockten Gott.
In einer Varation des Marsyas-Mythos, dem Wettstreit zwischen Apoll und Pan, ist es der unqualifizierte Juror, der von Apoll bestraft wird. De Clercks Kupfertafel zeigt, wie Konig Midas, der als einziger zu Ungunsten des Gottes entschied, Eselsohren wachsen.




Wettstreit in der Antike
Amazonen in Konkurrenz
Fur den Tempel der Artemis in Ephesos, eines der sieben Weltwunder der Antike, schufen die berühmtesten griechischen Bildhauer um 430 v. Chr. Statuen verwundeter Amazonen.
Die Künstler, darunter Phidias, Polyklet und Kresilas, sollen dabei als Konkurrenten und zugleich auch als Juroren Aufgetreten sein. Obwohl jeder Bildhauer das eigen Werk zum Sieger kürte, gab es am Ende dennoch einen klaren Gewinner: Polyklet, dessen Figur von allen anderen Kontrahenten auf Platz zwei gewählt wurde.
Heute sind uns roemische Kopien der originalen Statuen überliefert, die nach drei Typen unterschieden werden. Die hier gezeigte Amazone aus den Vatikanischen Museen gilt als die besterhaltene Replik der Statue des Phidias, die laut Überlieferung durch Plinius den zweiten Platz belegte.


Gipsabguss nach der romischen Kopie der 2. Halfte des 2. Jahrhunderts n. Chr, in Munschen nach griechischem ORiginal des Polyklet, 440/30 v. Chr, Salzburg,PAris Lodron Universitat, Sammlung Fachbereich Altertumswissenschaften

Wettstreit mit Der Antike
Wettstreitmit der vermeintlichen “Antike”
Im 18. Jahrhundert bildete die Antike den unerreichten Masßstab, an dem sich Bildhauer*innen zu orientieren hatten. Georg R. Donner versuchte, diesem Anspruch gerecht zu werden, führte dabei aber einen Wettstreit unter falschen Vorzeichen: Dem berühmten Barockbildhauer und erfolgreichen Antikenrestaurator Francois Duquesnoy war es um 160 gelungen, bronzene Statueeten anzufertigen, die ihren antiken Vorlagen zum Verwechseln ähnlich sahen. Eine davon, Apollo und Cupido, konnte Donner in der Sammlung Liechtenstein studieren. Dort galten die Werke von Duquesnoy zwischenzeitlich als Antiken – und auch Donner wurde getäuscht: Er versuchte, das “antike” Original durch originelle Paraphrasen zu überbieten.


Apollo, 172, Blei-Zinnlegierung, Liechtenstein, The PRincely Collections, Vaduz-Wien

Wettstreit mit der Antike
Im Wettstreit mit Apelles
Die Gottin Aphrodite wurde in der Antike oft als “Auftauschende” (“Anadyomene”) dargestellt, die dem Meer entsteigt und sich das Haar trocknet. Das berühmtesste BEispiel war ein Gemälde von Apelles, dem bevorzugten MAler Alezanders des Grossen. Apelles soll seine Aphrodite an der schoenen Kurtisane des Koenigs, Kampsaspe, orientiert haben. Sein nur literarische überliefertes Gemäldde diente nachfolgenden Künstler*innen zum Vorbild.
Ein Relief on Antonio Lombardo verarbeitet Apelles’ Bilderfindung in Marmor. Der Hofmaler Kaiser Rudolfs II., Jodocus vam Winghe inszenierte sich selbst als Apelles, der sich in sein schoenes Modell verliebt.
Auch der Amerikaner Raphaelle Peale bezog sich mit viel Witz auf Apelles: Nach Vorlage von James Barry malte er eine Aphrodite Anadyomene, “verdeckte” sie jedoch mit einem wiessen Tuch und verwies so auf eine beruhmte Anekdote der Künstlerrivalität- den Wettstrei zwischen Zeuxis und Parrasios.





Wettstreit in der Antike
Der aus feinen Goldblechblattern zusammengestzte Siegeskranz wurde nahe der heutigen Stadt Chlakis im GRab des Athleten Theokles gefunden.
Dargestellt sind Oliven- oder Lorbeerzweige, die, zu Kränzen verarbeitet, bei sportlichen Wettkämpfen als Trophäen verliehen wurden. Kunstvoll gearbeitete Goldkränze hatten in der Antike zwar auch einen gewissen materiellen Wert. In erster Linie galten sie jedoch als Symbol fortwährenden Ruhms, den die Sieger nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre jeweiligen Heimatstädte erlangten.
Die Amphore des berühmten Vasenmaler Euthymides gilt als Wettstreiobjekt schlechthin. Das Gefäss mit gemalten Darstellungen von Kriegerabhied und festlichem Umzug trägt vorderseitig die Aufschrift “gemalt hat es Euthymide”, die rückseitig fortgesetzt wird mit “wie niemals Euphronios” es vermocht hätte. Aufgrund seiner Fähigkeit, Menschen besonders plastisch darzustellen, inszeniert sich Euthymides als fortschrittlicher Künstler, dem es sogar gelingt, Euphronios, den damals in Athen unerreichten Vasenmalerm zu überbieten.

